Die Bücherstapel um mein Bett herum wachsen immer höher, trotzdem hab ich mich eine zeitlang schwergetan, mich auf ein Buch einzulassen. Das neue Buch von Benedict Wells – aber wollte ich schon wieder ein Buch über Heranwachsende Lesen? Ein Buch, das mit dem schönen Satz anfängt ‚In diesem Sommer verliebte ich mich und meine Mutter starb.‘
Ich legte es wieder weg. Nicht schon wieder Liebe. Nicht schon wieder Tod.
Was ein Fehler war. Benedict Wells kann unverschämt gut schreiben. Und vielleicht gibt es im Grund nur diese beiden Themen. Liebe und Tod – und die Angst, die die beiden auslösen. Es ist ein Buch über Angst, Ängste und was passieren kann, wenn man sich ihnen stellt.
Das klingt dramatisch, ist aber mit leichter Hand geschrieben. Der fünfzehnjährige Ich-Erzähler Sam ist ein einsamer Aussenseiter in einer amerikanischen Kleinstadt im Missouri der 80er Jahre. Seine ältere, furchtlose Schwester hat sich schon längst an die Westküste abgesetzt, wo sie erfolgreich für eine TV-Serie schreibt. Seine Eltern sind mit sich selbst beschäftig, die liebenswerte Mutter kämpft seit Jahren gegen ihre Krebserkrankung, während sein arbeitsloser Vater dumpf vor sich hinbrütet.
Durch einen Ferienjob im alten Kino findet Sam langsam Freunde, die ihm helfen, in die Welt zu finden. Mit ihnen schaut er sich nächtelang durch die alten Filmklassiker, findet in dem wortkargen Sportler ‚Hightower‘, in dem verwöhnten, selbstbewussten Cameron und der verwirrend widersprüchlichen Kirstie echte Freunde – auch wenn sie alle in den Startlöchern zum Übergang ins College stehen – noch sind sie da. Und nehmen ihn ernst.
Der Sommer, in dem Sam erwachsen wird, die erste Liebe die ihm mit Wucht trifft, seine kleinen Versuche, die gläserne Wand, die ihn von seinen Eltern trennt zu durchdringen – für mich stimmt alles. Die Eltern, die wie bei jedem Teenager zentrale Randfiguren sind, der Buchladen der Mutter, oder Kristies Spiel, Buchtitel nach dem ersten Satz zu erraten.
Ein Buch von einem jungen Autor der Menschen, Filme, Songs und Bücher liebt. Ich bin ein wenig neidisch. Und nehme mir vor, American Graffiti nochmal anzusehen. Und die Playlist zum Buch anzuhören, die Benedict Wells auf YouTube gestellt hat…