Die Pandemie verändert alles und alle. Oder ist es die Zeit, die gleichzeitig dahin rast und stillzustehen scheint? Wir werden dünnhäutiger, scheint es mir, ungeduldiger, undankbarer. Alles mit gutem Grund, und dennoch…
Aber dass ich, die ich einmal Bergmann Filme geliebt habe, jetzt bei bei der 5. Staffel der ‚Gilmore Girls‘ gelandet bin, lässt sich nicht nur mit den Anstrengungen der Pandemie entschuldigen. Es scheint mir eher so, als ob man inmitten einer diffus bedrohlichen Wirklichkeit die Bilder aus dem 7. Siegel, wo der Tod den Reigen der Menschen anführt, die er geholt hat, oder das Schlussbild aus Schande, in dem das Boot der glücklich aus dem Krieg geflüchteten Musiker mitten im Meer in einem Teppich aus Ertrunkenen stecken bleibt, nicht mehr als grandiose cineastische Bildsprache verstehen kann, so nah sind sie uns gerückt.
Die Bilder im Kopf, die einem nicht mehr loslassen, spielen auch in Heute beissen die Fische nicht, dem wunderbar klaren und poetischem Buch von Ina Westman eine Rolle. Die Autorin erzählt die Geschichte eines Paares aus zwei Perspektiven. Emma gelingt es seit einer Kopfverletzung nicht mehr, die Bilder die sie als Fotoreporterin für internationale Hilfsorganisationen eingefangen hat, aus ihrem Leben zu verdrängen. In dem äusserlich ruhigen, idyllischen Urlaub, den mit ihrem Mann Joel und der Tochter Fanni in einem kleinen Häuschen in den finnischen Schären verbringt, wird sie von Halluzinationen heimgesucht.
Wie viel Verständnis ist zwischen zwei Menschen möglich, die schon immer in verschiedenen Welten gelebt haben? Wie verändert sich eine Beziehung durch ein Kind? Wie viel Geduld kann man mit einem Partner haben, der nicht mehr normal ‚funktioniert‘? Emma und Joel erzählen abwechselnd ihre Geschichte – die Geschichte eines Paares, ihrer gemeinsamen Vergangenheit und ihrer Wahrnehmung der Krise, in der sie gerade feststecken.
Fanni, die aufgeweckte Fünfjährige, führt indessen philosophische Gespräche mit ihrem Vertrauten, dem Großvater. Jedes einzelne Gespräch ist ein kleiner Schatz, der wie alle echten Schätze ein Geheimnis birgt.
Das Buch kreist um die grossen Themen wie Beziehung, Familie, Verantwortung – und wie man weiterleben und lieben kann, ohne die Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren.
Es ist hart und sanft zugleich und hat keine Antwort. Trotzdem fühle ich mich getröstet von diesem Buch, vielleicht weil es so offen mit allen Schwierigkeiten zu ringen scheint.
Die Autorin hat dem Buch ein wunderbares Zitat von Tove Jansson, Erfinderin der Mummins, vorangestellt. Auf meiner inneren Landkarte wird Finnland für mich immer die skurril heile Welt der Mummins bleiben – dass es nur die halbe Wahrheit ist, zeigt dieses unbedingt lesenswerte Buch.