Vor zehn Jahren hatte ich von Richard Russo ‚Diese alte Sehnsucht‘ gelesen und mich in den kauzigen Protagonisten verliebt, der auf der Suche nach dem perfekten Ort und dem geeigneten Moment für die Trauerfeier mit den beiden Urnen seiner Eltern im Kofferraum und den Erinnerungen an die Träume dieser Eltern im Kopf durch den Roman irrt.
Der neue Roman von Richard Russo spielt wieder an der Ostküste, auf Martha´s Vineyard, der Insel in der Nähe von Cape Cod. Das Meer, die Holzhäuser, die Dünen.. Bilder von Hopper im Kopf und von dem jungen Kurt Vonnegut, der auf Cape Cod in den 60er Jahren als reichlich erfolgloser Schriftsteller und noch erfolgloserer SAAB Verkäufer seine grosse Familie durchbringen musste…
‚Jenseits der Erwartungen‘, erzählt wieder einmal die alte Geschichte über die Verwunderung darüber, wie wurden, was wir sind. Die drei Freunde Teddy, Lincoln und Mickey treffen sich nach Jahren in einem Ferienhaus auf Martha’s Vineyard..Sie kennen sich seit dem Studium aus Vietnamkriegszeiten, als sie alle als Underdogs in einem Elitecollege waren. Und in dasselbe Mädchen verliebt – die wunderschöne, wunderbar wilde Jacy.
Seit dem letzten gemeinsamen Wochenende in eben diesem Haus, das Lincoln jetzt verkaufen will, haben sich ihre Wege getrennt. Jacy ist seit damals verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen – eines dieser Mädchen, deren Verschwinden nie aufgeklärt wird.
Aber in den Köpfen dieser Männer ist plötzlich alles wieder da, ihre Jugend, ihre Träume und natürlich auch Jacy. Den glücklich verheirateten Lincoln, Vater und Großvater einer wohlgeratenen Sippe, lässt plötzlich die Frage nach Jacys Schicksal nicht mehr los. Und Teddy und Mickey tragen jeweils ein Geheimnis mit sich herum, das sie nie mit ihren Freunden teilen konnten.
Ich habe den Film ‚Der große Frust‘ von Lawrence Kasdan so oft gesehen, dass ich die Dialoge mitsprechen kann. Es ist die Geschichte einer Freundesclique der Vietnamkriegsgeneration, die sich bei der Beerdigung ihres besten Freundes wieder trifft. Da sind sie Anfang 40 und reichlich desillusioniert.
Wer wissen will, wie sich ihr Leben mit über 60 anfühlt, ist in diesem Buch schon prima aufgehoben. Und die Frage nach dem ungeklärten Schicksal von Jacy lässt den Roman im zweiten Teil dann richtig Fahrt aufnehmen.